Das Hauptsymptom der Fibromyalgie sind chronische Schmerzen. Sie treten insbesondere in der Muskulatur und an den Sehnen auf. Daher rührt auch das frühere Synonym „Weichteilrheuma“. Daneben haben an Fibromyalgie leidende Patienten viele andere Beschwerden, die so zahlreich sind, dass es schwierig ist, sie alle zu erfassen.
Man ist sich heute sicher, dass etwa drei bis vier Prozent der Menschen in Europa mit dieser diffusen und oft verwirrenden Krankheit leben müssen. Fast immer sind Frauen betroffen. Es kann aber auch Kinder und Männer treffen.
Fibromyalgie ist eine chronische Schmerzerkrankung, die lebenslang anhält. Zumeist treten die ersten Symptome ab dem 35. Lebensjahr auf. Eine Therapie mit Aussicht auf Heilung oder grundlegender Linderung der Symptome ist bislang nicht möglich. Die Fibromyalgie ist ein echtes Syndrom. Sie geht mit sehr vielen unterschiedlichen Symptomen einher und zeigt sich bei jedem Betroffenen anders.
Chronische Schmerzen treten jedoch immer auf. Konkrete Ursachen für eine Fibromyalgie konnte die medizinische Forschung bisher noch nicht finden. Neben einer genetischen Veranlagung werden auch psychische Faktoren wie psychosozialer Stress oder seelische Traumata als Auslöser diskutiert. Man nannte sie deshalb auch Neurasthenie oder nervöse Erschöpfung. Sicher ist jedoch: Fibromyalgie ist keine Rheumaerkrankung.
Wenn überall Schmerzen auftreten, wenn man sich müde und erschöpft fühlt, wenn man unter vielen anderen körperlichen Beschwerden leidet, dann liegt ein Fibromyalgie-Syndrom vor. Allerdings: wenn sich die Beschwerden nicht anderweitig erklären lassen und wenn sie seit mehreren Monaten bestehen.
Jeder Betroffene hat seine eigene Symptomatik. Bei manchen Patientinnen und Patienten überwiegen die psychischen Leiden, bei anderen der körperliche Schmerz, bei wieder anderen die Hochsensibilität gegenüber äußeren Reizen und bei einer weiteren Gruppe die Schwellungen in Verbindung mit Übergewicht. Manche ziehen sich völlig zurück, andere können die Krankheit gut verbergen und mit ihr leben.
Bei Menschen mit Fibromyalgie ist die erste Ansprechperson meist die Hausärztin oder der Hausarzt. Diese können zu Spezialisten überweisen, wenn sie keine Diagnose stellen können und es sinnvoll erscheint, zunächst andere mögliche Krankheitsursachen wie rheumatische Krankheiten, orthopädische Probleme oder psychische Leiden auszuschließen.
Diagnostisch ausschlaggebend sind die bei der klinischen Untersuchung schmerzhafte Druckpunkte, sogenannte Tender-Points. Dabei handelt es sich um festgelegte Übergänge zwischen Muskeln und Sehnen, die über den ganzen Körper verteilt sind. Sind elf der 18 zu untersuchenden Tender-Points druckempfindlich, ist eine Fibromyalgie wahrscheinlich (siehe Abbildung).
Laborchemische Untersuchungen und bildgebende Verfahren sind in der Regel unauffällig und sollten nur zum Ausschluss möglicher anderer Erkrankungen durchgeführt werden. Differentialdiagnostisch kommen rheumatischen Erkrankungen, das Chronic-Fatigue-Syndrom, Osteoporose, Arzneimittelnebenwirkungen, Infektionskrankheiten und verschiedene bösartige Erkrankungen infrage.
Wesentlich bei der Erkennung einer Fibromyalgie ist es einerseits, an das Syndrom zu denken und andererseits, bei Verdacht mögliche Differentialdiagnosen sicher auszuschließen, die anders behandelt werden müssten.
Die Fibromyalgie ist durch medizinische Maßnahmen nur begrenzt beeinflussbar und beschränkt sich zumeist auf eine symptomatische Behandlung. Die schulmedizinische Therapie ist in den meisten Fällen sehr unbefriedigend. Es werden häufig rein symptomatische Medikamente verordnet. Es sind Schmerzmittel, oft gleichzeitig mit unterschiedlichem Wirkansatz. Auch rezeptiert man Antidepressiva zur regelmäßigen Einnahme. Sie gelten als Mittel der ersten Wahl, wirken aber nur bei einem Drittel der Patientinnen und Patienten in ausreichendem Maße.
Die ganzheitliche Therapie einer Fibromyalgie in einer Naturheilpraxis hat verschiedene Ziele. Sie erfordert ein umfassendes und multimodales Behandlungskonzept. Das Hauptziel besteht darin, die Hochsensibilität des Nervensystems zu beruhigen, die Schmerzgrenze zu senken und die Schmerzwahrnehmung zu mindern.
Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte, Heilpraktikerinnen und -praktiker, Physiotherapeutinnen und -therapeuten, auch Psychotherapeutinnen und -therapeuten, sollten Hand in Hand mit Patientinnen und Patienten eine geeignete individuelle Therapie zur Krankheits- und Schmerzbewältigung zusammenstellen. An Fibromyalgie leidende Patientinnen und Patienten können von einer Kombination aus Bewegungstherapie, Medikamenten, individueller physikalischer Therapie, Entspannungsverfahren und falls notwendig einer Psychotherapie profitieren.
Die Säulen der Behandlung sind dabei Phytotherapie, Hydro- und Thermotherapie, Bewegungstherapie, Ernährungstherapie und Ordnungstherapie. Hinzu kommen insbesondere zur Behandlung chronischer Schmerzen die Neuraltherapie und die „ausleitenden“ Verfahren wie Schröpfkopf- und Blutegelbehandlung.
In der Behandlung der Fibromyalgie unterscheidet man passive Therapiemaßnahmen, die der direkten und kurzfristigen Schmerzlinderung dienen. Bei den aktiven Behandlungen vertraut man auf einen Trainingseffekt, der über eine vegetative Umstimmung eine Verbesserung der Schmerztoleranz bewirkt. Die bewegungsaktiven Therapien sollten langfristig durchgeführt werden.
Oftmals sind naturheilkundliche Therapien als Einzelverordnung gut wirksam. Bessere Erfolge erreicht man durch eine gezielte Komplextherapie.
Bewegung
Eine wichtige Rolle eines Therapiekonzept spielt die regelmäßige Bewegung. Durch eine gezielte Krankengymnastik bekommen Patientinnen und Patienten einen positiven Zugang zur Bewegung. Regelmäßige Spaziergänge kann der Patient in Eigenregie unternehmen. Alle Ausdauersportarten sind gut geeignet.
Kneipp-Anwendungen
Mehrmals wöchentlich angewandte Kneipp-Güsse oder aufsteigende warme Fußbäder können die Abwehrkräfte stärken und die Entspannung und Ausleitung fördern. Feuchtheiße Leberwickel unterstützen die Entgiftungsfunktion der Leber. Darüber hinaus wirken sie auch antidepressiv und schlaffördernd. Warme Bäder entspannen. Kalte Anwendungen trainieren die Abwehrkräfte. Eine heiße Rolle ist oft lokal unterstützend.
Massagen
Sanfte Massagen der Rückenmuskulatur verringern den Schmerz. Mit Fußreflexzonenmassage versuchen man, besonders belastete Körperregionen zur Regeneration anzuregen.
Wärmebehandlungen
Infrarotwärme in einer Kabine oder auch lokal verringern Verspannungen und Schmerzen. Moor- und Fangopackungen sollte man serienmäßig anwenden. Körnerkissen gehören zur häuslichen Therapie.
Kältebehandlungen
Kältewirkungen können in speziellen Kältekammern, aber auch lokal mit Packungen oder Kaltluft erreicht werden. Kalte Wasseranwendungen wie Güsse, Duschen oder Wickel kann man in Eigenregie anwenden.
Elektrotherapien
Stanger-Bäder, Ultraschall, Ultrareizstrom und TENS-Therapie werden wegen ihrer lokalen und ganzkörperlichen Wirkungen gern verordnet.
Abbildungen
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Die Diagnose wird bislang anhand von 18 Druckschmerzpunkten – Tender-Points – an den Übergängen zwischen Muskeln und Sehnen gestellt. Verursacht ein bestimmter Druck bei mindestens elf dieser Punkte Schmerzen, ist das ein Zeichen für das Vorliegen einer Fibromyalgie.
Infokästen
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Sportarten für Fibromyalgiepatienten
• Wandern
• Schwimmen
• Radfahren
• Tanzen
• Ergometertraining
• Aquajogging
• Walken
• Wassergymnastik
• Gymnastik
• Funktionstraining
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Physiotherapiemaßnahmen
• Wärmeanwendungen: z. B. Bäder mit und ohne Zusätze, Wickel, Moorpackungen, Rotlicht
• Kälteanwendungen: z. B. Eispackungen, kalte Güsse bei akuten Schmerzen
• Elektrotherapie: z. B. Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS), Reizstrom
• Massage: klassische und Bindegewebsmassage, Fußreflexzonenmassage
• Manuelle Lymphdrainage
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Text: Dr. med. Lutz Koch
Facharzt für Physikalische und
Rehabilitative Medizin
Wossidlostr. 21, 18181 Graal-Müritz
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