Mit allen Sinnen leben

21.05.2021
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Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen – im Idealfall spielen unsere fünf Sinne harmonisch zusammen, damit wir die Welt und das Leben in seiner ganzen Komplexität wahrnehmen können. Und sie haben darüber hinaus einen entscheidenden Einfluss auf unser Wohlbefinden.

 

Da sehe ich schwarz“, „Ich kann diesen Menschen nicht riechen“, „Dafür braucht man Fingerspitzengefühl“ – viele alltägliche Redewendungen hängen mit den Sinnen zusammen. Das ist ein deutlicher Hinweis darauf, welch wichtigen Stellenwert sie im Leben einnehmen und wie stark wir auf sie bauen. Tatsächlich sind die Sinne rund um die Uhr im Einsatz.

 

Zwar arbeiten sie nachts im Schlaf nur auf einem sehr niedrigen Level, aber die restliche Zeit nehmen wir über Augen, Ohren, Nase, Mund und Haut unzählige Eindrücke wahr: Wärme, Licht und Farben, Lärm, Essensdüfte, das süße Schmelzen von Schokolade im Mund und vieles mehr.

 

So steht der Mensch über die fünf Sinne im Kontakt mit seiner Umwelt, und wenn einer von ihnen ausfällt, können die anderen dies nur begrenzt kompensieren. Darum ist es gerade heutzutage so wichtig, seinen Sinnesorganen besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Denn in der modernen Welt stehen sie wie nie zuvor unter Druck.

 

Reizüberflutung und übergroße Beanspruchung gelten längst als Mitverursacher für steigende Erkrankungszahlen in diesem Bereich. Immer mehr Menschen leiden etwa aufgrund von Computerarbeit unter Kurzsichtigkeit. Ähnliches gilt für Ohrgeräusche durch Tinnitus, bei dem Experten einen Zusammenhang zwischen zunehmendem Stress und Lärm vermuten.

 

Sehen und Hören sind nicht ohne Grund meist die Erstgenannten der fünf Sinne. Denn sie werden am häufigsten genutzt, da unser Leben vor allem durch optische und akustische Reize geprägt ist. Der Sehsinn nimmt dabei die vorderste Position ein – über ihn werden dem Gehirn etwa 80 Prozent aller Informationen aus der Umwelt geliefert.

 

Im Prinzip funktioniert das Auge ähnlich wie ein Fotoapparat: Die Pupille kann sich wie eine Blende je nach Lichteinfall verkleinern oder vergrößern. Dafür sorgen zwei Muskeln der farbigen Regenbogenhaut (Iris), die von der davorliegenden Hornhaut geschützt wird. Auf der Rückseite des Auges befindet sich die Netzhaut (Retina).

 

Photorezeptoren verarbeiten die optischen Informationen, wandeln sie in elektrische Impulse um und leiten diese über den Sehnerv weiter ans Gehirn. Dort werden die Signale in Bilder umgewandelt.


Äußere Faktoren beeinflussen das Sehen

Viele äußere Faktoren können nun die Augen und den Sehsinn beeinflussen, stressen und sogar schädigen. Dazu gehören etwa stundenlanges Starren auf Monitore, Smartphones und Tablets, intensive Sonneneinstrahlung, Allergene wie Pollen, Fein- oder Hausstaub sowie reizauslösende Inhaltsstoffe aus Kosmetika.

 

Die Folgen sind häufig trockene, müde und gerötete Augen, was Wohlbefinden und Lebensqualität stark einschränken kann. Grund genug, unseren Sehorganen ein bisschen Wellness zu gönnen. So sollte man bei langer Bildschirmarbeit alle halbe Stunde eine Pause machen und den Blick eine Minute in die Ferne schweifen lassen – mindestens 50 Meter.

 

Blinzeln tut ebenso gut wie bewusstes Augenrollen: Am besten stellt man sich eine große liegende Acht an der nächsten Wand vor und zeichnet diese mit den Augen mehrmals nach. Ratsam ist es zudem, regelmäßig eine mehrstündige Bildschirm-Abstinenz einzulegen und etwas anderes zu tun, etwa eine Radtour unternehmen oder einen Spaziergang im Grünen.

 

Entspannung pur stellt sich beim Palmieren ein: Dafür die gewölbten Hände über die geschlossenen Lider legen, sodass kein Licht mehr durchdringt. Auf diese Weise einige Sekunden ohne jeden optischen Reiz verharren.

 

Als zweitwichtigster Sinn gilt das Hören. Es warnt uns vor Gefahren, es beschert uns beim Lauschen von Vogelzwitschern glückliche Momente, hilft bei der Orientierung etwa durch die Geräusche näherkommender Fahrzeuge und ist wesentlich für die Kommunikation.

 

Hören funktioniert durch Schallwellen, die zur Ohrmuschel gelangen und durch den Gehörgang übers Trommelfell ins Mittelohr und ins Innenohr weitergeleitet werden. Umgewandelt in elektrische Impulse kommt das Signal per Hörnerv zum Hörzentrum im Gehirn. Hier wird es analysiert und verstanden.

 

Da der Hörsinn sehr sensibel ist, kann er zum Beispiel durch Lärm leicht geschädigt werden. Deshalb sollte man damit bewusst und vorsichtig umgehen.


Allgegenwärtiger Lärm löst Stress aus

Das ist allerdings nicht immer so einfach, denn die Welt ist vielerorts sehr laut geworden. Der Krach von Verkehr, Baulärm und Arbeitsmaschinen gehört für zahlreiche Menschen zum Alltag. Auch die allgegenwärtige Beschallung durch Film, TV, Musik oder Videospiele mit ihrer intensiven Akustik überfordert das menschliche Ohr häufig.

 

Außerdem löst Lärm im Körper Stress aus, bringt das Herz zum Rasen und erhöht den Blutdruck. Darum ist es so wichtig, die Stille und die leisen Töne wiederzuentdecken. Bei einem Spaziergang im Wald oder am Strand dem sanften Konzert der Natur zu lauschen – vom Blätterrauschen bis Wellenschlag – beruhigt Ohren und Seele.

 

Genauso sollte man daheim regelmäßig für Ruhe sorgen: Fernseher und Stereoanlage einfach mal ausschalten, Raum schaffen für Gedanken und einfach die Stille genießen. Mit Genuss hat auch ein weiterer Sinn zu tun: das Schmecken.

 

Jeder Mensch kann im Mund fünf Geschmacksrichtungen wahrnehmen: süß, sauer, salzig, bitter sowie umami, den herzhaft- würzigen Fleischgeschmack. Die geschmackliche Vielfalt entsteht durch die unzähligen Kombinationen dieser Richtungen.

 

An Zunge, Gaumen und Kehldeckel sitzen die Geschmacksknospen, die aus rund 100 Sinneszellen bestehen – dockt hier etwas Süßes oder Saures an, wird ein bestimmter Reiz ausgelöst und als elektrischer Impuls an die Großhirnrinde weitergeleitet, wo dann entschieden wird, ob wir etwas mögen oder nicht.

 

Hierbei spielen auch Instinkt, Gewohnheiten und Erfahrungen eine Rolle. Bitteres wird etwa oft mit unreifer, verdorbener oder gar giftiger Nahrung verbunden, Schokolade dagegen setzt glücklich machende Endorphine frei. Die Lust auf Süßes ist also ganz natürlich.

 

Mit dem Alter verliert der Geschmackssinn allerdings an Intensität, besonders was Salziges und Umami betrifft. Das liegt einerseits daran, dass die Geschmacksrezeptoren schwächer werden, kann aber auch mit falscher Ernährung zusammenhängen.

 

So stecken Fertiggerichte oft voller Geschmacksverstärker und Aromastoffe, die mit der Zeit die Rezeptoren abstumpfen lassen. Man sollte daher mehr auf frische und natürliche Lebensmittel setzen.


Riechen und Schmecken hängen zusammen

Schmecken ist eng mit einem weiteren Sinn verbunden – dem Riechen. Köstliche Düfte haben einen starken Einfluss auf das Geschmackserlebnis. Wer hat nicht irgendwann die Erfahrung von verstopfter Nase und fadem Essen gemacht?

 

Darüber hinaus wirken Gerüche besonders stark auf Stimmung und Gefühle, denn sie werden über die Riechzellen in der Nasenschleimhaut und den Riechnerv direkt weitergeleitet zum limbischen System, dem Teil des Gehirns, in dem unsere Emotionen sitzen.

 

Aus gutem Grund heißt es oft „Jemanden an der Nase herumführen“ oder „Jemanden nicht riechen können“ – der Geruch eines Menschen entscheidet mit über Sympathie und Antipathie. Ebenso kann der Duft von Apfelkuchen oder frisch gemähtem Gras schöne Erinnerungen wecken und glücklich machen.

 

Die Wirkung von Düften auf die Psyche ist hinlänglich bekannt und wird daher auch in der Aromatherapie gezielt eingesetzt, meist in Form von ätherischen Ölen. So wird Lavendel eine beruhigende und ausgleichende Wirkung zugeschrieben, Orange eine anregende und aufheiternde, während Anis und Vanille entspannen und ein Gefühl von Geborgenheit verleihen.


Durchs Fühlen die Welt unmittelbar erfahren

Apropos Gefühl: Neben den anderen vier Sinnen wird der fünfte oftmals ein wenig an den Rand gedrängt – und zwar der Tastsinn, das Fühlen. Dabei ist er so wichtig. Durch Berührungen erfahren wir die Welt am unmittelbarsten, spüren, wie sich die Haut eines anderen anfühlt, wie die Rinde eines Baumes, das Fell einer Katze, die Kälte von Eis.

 

Berührungen sind ein menschliches Grundbedürfnis. Babys, die niemand streichelt, verkümmern. Der Tastsinn ist jedoch nicht nur auf die Hautoberfläche beschränkt, sondern funktioniert auch in unserem Körperinneren – hier nehmen wir ihn vor allem durch Bewegung und das Zusammenspiel der Muskeln, Bänder, Sehnen sowie der Organe wahr.

 

Um den Tastsinn zu sensibilisieren, ist Achtsamkeit ein gutes Mittel. Man sollte sich jeden Tag etwas Zeit nehmen, um den alltäglichen Dingen nachzuspüren – dem Kitzeln von Gras unter den nackten Füßen, dem Gefühl der rauen Zahnbürste im Mund, der Glätte der Seidenbluse. Auch bei der Schönheitspflege kann Körpererfahrung sehr intensiv sein.

 

So genießt man das fast schwerelose Schweben in einem warmen Vollbad ebenso wie das sanfte Verteilen einer Lotion auf der Haut. Und schließlich können Bewegungsformen wie Yoga, Thai Chi, Feldenkrais, Pilates oder Qi Gong dazu beitragen, sich und seinen Körper ganz neu zu erfühlen.

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Redaktion: © Praxiswunder
Foto: macroart – Getty Images